Neuseelands Hauptstadt hat einen neuen Fan
Es war definitiv eine gute Entscheidung, meine letzten vier Wochen hier in Wellington zu verbringen. Die Stadt ist einerseits überschaubar, fast alles lässt sich zu Fuß erledigen oder mit dem recht gut ausgebauten ÖPNV. Andererseits gibt es wirklich viel, was man anschauen und erleben kann, bei gutem wie bei eher schlechtem Wetter, von dem ich hier leider nicht verschont blieb.
Achtung, das wird wieder ein sehr langer Artikel, weil ich einfach viel unternommen habe!
Die Wellingtonians sind ein buntes und aufgeschlossenes Völkchen. Ich hatte nicht eine schlechte Erfahrung hier, ganz im Gegenteil. Aber der Reihe nach:
Botanischer Garten und Cable Car
Einer meiner ersten Ausflüge hier in Wellington führte mich hoch zum Botanischen Garten, der sich mit der weltberühmten Cable Car bequem erreichen lässt. Ich bin einfach begeistert von den öffentlichen Grünanlagen hier, die allesamt sehenswert sind, sehr gepflegt und dem Erhalt historischer Fauna verpflichtet. Ich wanderte stundenlang durch die Gegend und freute mich über die vielen wunderschönen Pflanzen und Fotomotive.
Auf dem Rückweg besuchte ich noch den alten Friedhof, der inzwischen durch die Stadtautobahn durchschnitten wird, irgendwie sehr seltsam und offenbar auch sehr umstritten bei der damaligen Stadtplanung. Der Friedhof hat eine ganz eigene Atmosphäre, weil er teils verwildert ist. Ein ruhiger Ort über der Stadt.
Waterfront und Oriental Parade
An einem warmen Samstag lief ich von meinem Hostel, in dem ich die ersten 5 Tage hier verbrachte, hinunter zur Waterfront. Ich weiß gar nicht, wie ich das beschreiben soll. Eben noch bewegst du dich auf der quirligen Haupteinkaufsstraße Lambton Quay zwischen Hochhäusern, und plötzlich stehst du am Meer. In den letzten 20 Jahren hat die Stadt viel investiert, um den Zugang zur Waterfront freundlich zu gestalten. Man kann über den Civic Place direkt ans Meer gehen, ohne Ampeln passieren zu müssen. Die Gestaltung ist spannend, eine Mischung aus Holz, Beton und Stahl mit Maori-Symbolik und Sitzgelegenheiten, die sogar einigermaßen windgeschützt sind. Ich bin dort auch schon gesessen, und soweit ich beobachten konnte, wird das Angebot gern genutzt, von Studierenden und Backpackern ebenso wie von mittelalten Angestellten in der Mittagspause.
Entlang der gesamten Waterfront bis zur Queens Wharf gibt es kleine Coffee Shops – Wellington ist berühmt für seine Vielfalt an kleinen Röstereien, und wer ein echter Wellingtonian ist, der hat natürlich sein Lieblings-Café und seine bevorzugte Röstung! Ich bin relativ spät auf das Havana gestoßen – so feiner Kaffee, mmmh! Der Laden ist allerdings auf der Tory Street, nicht an der Waterfront.
In ehemaligen Lagerschuppen aus dem 19. Jahrhundert hat sich hippe Gastronomie angesiedelt, es gibt eine Bouldering-Halle, Spielplätze und überall Sitzgelegenheiten direkt am Wasser. Außerdem finden sich moderne Skulpturen von unterschiedlichen Künstlern. Ich habe den Sculpture Walk noch nicht absolviert, aber wenn das Wetter morgen einigermaßen ist, werde ich das wahrscheinlich noch tun.
Folgt man der Promenade am Wasser entlang Richtung Süden, passiert man das Te Papa, das unfassbar geniale riesige Museum mit Ausstellungen zu Neuseelands Natur und Naturgeschichte, zu Vulkanismus, zur Geschichte von Immigration, zur Teilnahme am zweiten Weltkrieg und dem Trauma von Gallipoli, und natürlich zur Maori-Kultur und -Kunst. Ich war insgesamt dreimal dort und könnte locker nochmal hin. Der Eintritt ist kostenfrei.
Dahinter beginnt die Oriental Parade, wo man einen superschönen hellen Strand aufgeschüttet hat, der an warmen Tagen wirklich voll ist. Einziges Problem aus meiner Sicht: nicht ein Schattenplatz weit und breit. Hier finden sich ein paar von Wellingtons besten und teuersten Wohnlagen …
Zealandia, das Ecosanctuary ganz nah an der Stadt
Nach 5 Tagen im Stadtzentrum zog ich um in ein Privatzimmer nach Woodridge, einem nördlichen Vorort, ca. 30 Busminuten von Wellington CBD (Central Business District) entfernt. Von meinem Gastgeber bekam ich leider nicht so viel mit, weil er tagsüber arbeitete und sich abends in der Regel schnell in seine privaten Räumlichkeiten verzog. Also blieb ich entweder auch in meinem Zimmer oder unternahm etwas. Die erste Woche blies ein starker Northerly, mit Böen von bis zu 60 kmh, das bläst schon ganz ordentlich dort oben auf der Höhe. Für mich ungewohnt war, dass der Sturm einfach nie nachließ, er blies Tag und Nacht in unverminderter Stärke, und das ist richtig laut! Die ersten Nächte schlief ich mit Ohrstöpseln, bis ich mich daran gewöhnt hatte.
Nach einem echt gruseligen Sonntag mit Dauerregen und Sturm klarte es dann am Montag endlich wieder auf und ich nutzte die Gelegenheit, um Zealandia zu besuchen. Das ist ein wunderbarer Ort, das erste Ökoreservat der Welt, das komplett eingezäunt ist, um eingewanderte Tierarten wie Katzen, Ratten, Wiesel, Kaninchen etc. auszuschließen, damit sich die heimische Flora und Fauna ungestört erholen und sprießen kann.
Ich buchte eine Führung und hatte großes Glück mit einer kleinen Gruppe und einem sehr engagierten und netten jungen Guide. Wir starteten morgens um 11 Uhr und sahen richtig viele der in Zealandia vorkommenden Tiere: in erster Linie Vögel wie den Tui, den selbst ich inzwischen am Gesang erkenne, das North Island Rotkehlchen, bei dem man die rote Kehle allerdings vergeblich sucht, und sogar die wunderschönen Saddlebacks, die eine sehr auffällige orangene Federzeichnung auf dem Rücken haben. Meine Lieblinge waren natürlich die Kaka-Papageien, die an der Futterstelle zahlreich herumturnten und sich mit den Tui kabbelten. Und ich bekam auch ein paar der grünen Kakariki zu sehen, was auf Maori „kleiner Papagei“ bedeutet. Tatsächlich sind das aber Laufsittiche.
Am Reservoir gibt es außerdem jede Menge Wasser- und Seevögel, aber davon habe ich nicht viele fotografieren können, sie waren einfach zu weit weg für das iPhone.
Wir hatten außerdem das Glück, einen Takahe zu sehen, eine Laufvogelart, von der es nur noch rund 400 Exemplare gibt. Ich finde das „mindblowing“, einer Kreatur zu begegnen, die vielleicht nicht mehr lange existiert. Vielleicht gelingt es aber auch, wenigstens diese Spezies zu retten. Das in Zealandia ansässige Pärchen brütet zuverlässig jedes Jahr ein Küken aus, das dann woanders wieder ausgesetzt wird, um die Genvielfalt insgesamt zu erhalten. Das finde ich ermutigend.
Und zu guter Letzt entdeckten wir auch einige Tuaratas. Das ist eine uralte Reptilienart, die schon mit den Dinosauriern hier war, älter als Krokodile und Schildkröten oder Schlangen. Sie sehen aus wie Minidrachen oder Eidechsen, sind aber eine ganz eigene Art. Eigentlich sind sie nachtaktiv und kommen tagsüber nur heraus, um sich ein bisschen zu sonnen.
Zealandia ist ein wunderbares Experiment, das auf 500 (!) Jahre angelegt ist. Die zuständigen Stellen möchten erreichen, dass sich hier irgendwann wieder ein ursprünglicher neuseeländischer Urwald ausbreitet – minus der 40 Prozent Tierarten, die leider bereits ausgestorben sind, seit der Mensch vor über 1000 Jahren seinen Fuß auf diesen Teil der Welt setzte. Ich finde das ganz großartig, in solchen Zeiträumen zu denken. Das sind mal Visionen! Wenn ich hier leben würde, wäre ich sicher Volunteer bei Zealandia.
Übrigens gilt das Ticket für zwei Tage, und so lief ich am Dienstag gleich nochmal über das Gelände und konnte diesmal noch viel bessere Bilder von Takahe und Tuarata machen.
Matiu / Somes Island: Kleine Perle im Hafen von Wellington
Den immer noch sonnigen Mittwoch nutzte ich für eine weitere halbstündige Bootstour nach Matiu. Das ist der Maori-Name für Somes Island, eine Insel, die mitten in der großen Hafenbucht von Wellington liegt und eine bewegte Geschichte hat: Unter anderem diente sie als Quarantäne-Station für Menschen, die mit ansteckenden Erkrankungen von den Schiffen kamen, später hat man hier Tiere in Quarantäne gehalten, bis sicher war, dass sie keine Krankheiten einschleppen würden. Während der Weltkriege hat man hier auch Menschen interniert, die wegen ihrer ursprünglichen Nationalität in Verdacht standen, für die feindlichen Mächte zu spionieren …
Seit einigen Jahren gehört die Insel wieder den ansässigen Maori-Stämmen und wird von ihnen gemeinsam mit dem Department of Conservation verwaltet. Auch hier wird Wert darauf gelegt, die Insel schädlingsfrei zu halten, also ohne Ratten, Katzen etc., damit sich die heimische Tierwelt erholen kann.
Ich habe während meines Besuchs zahlreiche Eidechsen gesehen, Seevögel natürlich, und ich durfte einem Vogelkonzert lauschen, das ich sogar aufgenommen habe. Bisher habe ich noch nicht herausgefunden, welche Art das war, aber einfach wunderschön! Lauscht mal rein.
Mount Victoria: Überwältigende Ausblicke
Donnerstag morgen entschied ich spontan, das noch schöne Wetter für einen Spaziergang hoch zur Aussichtsplattform von Mount Victoria zu nutzen. Hier bot sich ein zauberhafter Ausblick nach allen Seiten. War eine coole Idee, hier hinauf zu stiefeln!
Einmal Wellington Harbour Bay hin und zurück
Ein besonderer Mensch, dem ich hier begegnen durfte, nahm mich Sonntag und Montag mit auf eine Auto-Tour entlang der Küste. Wir besuchten Days Bay und Eastbourn, beliebte Ausflugsorte für Wellingtonians, mit der Fähre nur eine Dreiviertelstunde vom geschäftigen CBD entfernt. Sonntag war es windig und eher frisch, so dass nicht viel los war, aber ich konnte gut nachvollziehen, wieso es sich einfach wie ein kleiner Urlaubstag anfühlen kann, hierher zu fahren, obwohl man gar nicht weit weg ist von der Stadt.
Noch mehr beeindruckt hat mich unsere Tour am Montag Richtung Red Rocks am südlichen Ende der Bay. Zurück ging es über die Island Bay immer an der Küste entlang. Trotz der zahlreichen Warnschilder habe ich aber leider keinen der blauen Pinguine entdeckt. Tagsüber sind sie draußen im Meer auf Nahrungssuche und kehren erst abends ans Ufer zurück.
Stadtgeschichten
Zum Schluss noch ein paar Eindrücke aus der Stadt, Bilder, die ich gemacht habe, während ich unterwegs war zum einen oder anderen Museum, oder während ich mich über einen Markt habe treiben lassen. Ich mag die Holzhäuser hier, vor allem die aus dem 19. Jahrhundert. Sie sind vor allem erdbebensicherer als gemauerte Häuser und deshalb nach wie vor weit verbreitet.
Wellington ist mehr als einen Besuch Wert, und ich bin froh, dass ich so viel Zeit hatte, die Hauptstadt zu erforschen und auch einige ihrer Bewohner*innen näher kennenzulernen. Dazu bieten die Meetups hier hervorragende Gelegenheiten. Man meldet sich einfach zu einem der Events an und wird in der Regel von den jeweiligen Gastgebern dann mit anderen bekannt gemacht. Es ist wirklich easy, neue Freunde zu gewinnen. Das ist eins der Dinge, die ich mit Sicherheit mitbringen werde von hier: noch ein bisschen offener und neugierig auf andere Menschen zuzugehen, sich zu interessieren, Fragen zu stellen, einfach ins Gespräch zu kommen. Das fällt den meisten Leuten hier offenbar ganz leicht.
Übermorgen ist meine Zeit hier dann schon wieder vorbei, kaum zu glauben, wie schnell das ging. Dann geht es nochmal für zwei Tage nach Auckland, und am 23.12. steige ich dort in den Flieger, der mich über Seoul zurück nach Deutschland bringen wird.
Danke, dass du bis hierher gelesen hast! Ich hoffe, du kannst jetzt ein bisschen besser verstehen, wieso Wellington ein neues Fangirl gewonnen hat :-).