Coach across the Globe

Heide Liebmann

Zwischenfazit: War’s das Wert?

Am Dienstagmorgen (in Deutschland Montagabend, immer noch eine geistige Elastizitätsübung für mich ;-)) fragten mich die Frauen aus meinem derzeit laufenden Gruppencoaching, wie es denn so wäre in Neuseeland. Was mir besonders gut gefiele, was weniger, ob es Dinge gäbe, mit denen ich zu kämpfen hätte, was denn mit meiner Challenge sei …

Das nehme ich also mal als Anlass, ein Zwischenfazit zu ziehen, denn tatsächlich kann ich heute quasi Bergfest feiern: Die Hälfte meines Aufenthalts in diesem Land ist vorbei.

Was mir besonders gut gefällt:

Das ist einfach: die Natur und die Freundlichkeit der Menschen. Neuseeland hat unglaublich vielseitige Landschaften zu bieten. Manchmal wähnt man sich fast im Allgäu oder in den Alpen – wenn die Palmen und Aufsitzerpflanzen nicht wären. Dann wieder bist du im tropischen Urwald mit uralten Baumriesen. Es gibt riesige Sanddünen, wo du dir je nach Perspektive plötzlich vorkommst wie mitten in der Sahara – jedenfalls stelle ich es mir dort so ähnlich vor. Und die Strände sind einzigartig, egal ob an der West- oder der Ostküste. Der immer wieder neue und andere Ausblick aufs Meer hat mich stets aufs Neue geflasht.

Coromandel

Was die Menschen betrifft, erlebe ich die Kiwis als sehr unkompliziert und aufgeschlossen. Und sie sind Meister*innen des Smalltalks. Es ist mir jetzt schon öfter passiert, dass mich die Kassiererin an der Kasse im Supermarkt gefragt hat, wie mein Tag bisher war und was ich denn noch so vorhabe. Da bist du erstmal baff als Deutsche, wo man sich doch oft noch nicht mal in die Augen schaut bei solchen Begegnungen.

Und sie sind alle super hilfsbereit. Egal wen du ansprichst, man wird dir helfen. Ob du nach dem Weg fragst, nach dem nächsten Bankautomaten oder wo man bitte eine French Press zur Kaffeezubereitung bekommen kann. Das musste ich heute unbedingt erfahren, weil mein Gastgeber nämlich nur Instantkaffee trinkt, und das kommt mir nicht in die Tasse! (Ich wurde zu Brescoes geschickt und ergatterte ein zu 60% ermäßigtes Schnäppchen, das ich wahrscheinlich mit nach Hause nehmen werde, aber das nur nebenbei.)

Beim Busfahren begrüßt man den Fahrer höflich, und beim Aussteigen bedankt sich fast jeder. Das finde ich wirklich bemerkenswert. Ich habe mir eine Snapper Card zugelegt, mit der man deutlich günstiger unterwegs ist. Man loggt sich beim Einsteigen ein und beim Aussteigen wieder aus, und so trackt das Gerät automatisch, wie viele Zonen man gefahren ist. Entsprechend viel wird vom Guthaben abgezogen. Finde ich eigentlich sehr clever. Die Karten sind nicht personenbezogen, so dass das Ganze auch datenschutztechnisch in Ordnung ist.

Was mir hier außerdem sehr positiv auffällt, sind die vielen öffentlichen Toiletten, die meist sehr gut ausgeschildert und in einem super Zustand sind. Überhaupt finde ich die Ausschilderungen hier insgesamt fantastisch, man kann sich praktisch nicht verfahren oder verlaufen, auch ohne Navi.

Museen und öffentliche Einrichtungen sind sehr gepflegt, meist gibt es freies WLAN. Das Te Papa hier in Wellington, wo ich heute war, ist didaktisch unfassbar großartig. Dazu gibt es noch einen eigenen Artikel, wenn ich nochmal dort war. Man schafft das unmöglich an einem Tag, das sprengt die Aufnahmekapazität.

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Wie du siehst, gefällt mir hier ziemlich viel :-).

Was mir weniger gut gefällt:

Das ist eigentlich auch einfach: der ständige Sturm momentan hier in Wellington ;-). Bisher hatte ich ja insgesamt großes Glück mit dem Wetter, das auch die ersten Tage in Welly noch anhielt. Aber seit vorgestern stürmt es ununterbrochen, man wird fast weggepustet, nachts ist der Sturm richtig laut, und es hört einfach nicht auf. Ich schlafe tatsächlich mit Ohrstöpseln.

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An den Linksverkehr habe ich mich inzwischen gewöhnt. Die letzten Tage habe ich abends eine amerikanische Serie auf Prime angeschaut – mit Rechtsverkehr natürlich. Das fühlte sich schon fast verkehrt an. Interessant, wie schnell das Gehirn insgesamt umschaltet. Trotzdem habe ich mich kürzlich fast von einem Bus überfahren lassen, weil ich in Gedanken doch erst zur falschen Seite geguckt hatte … No worries, ist ja nix passiert, und seitdem passe ich wieder sehr viel bewusster auf!

Womit ich zu kämpfen habe:

Das sind weniger Kiwi-typische Dinge, sondern eher meine eigene Haltung. Es gibt Abende, an denen fühle ich mich doch sehr weit weg von zuhause – und dann fällt mir ein, dass ich ja momentan gar kein richtiges Zuhause habe. Auch wenn das selbstgewählt ist, bleibt zuweilen ein irgendwie knatschiges Gefühl. Richtig Heimweh, glaube ich. Das habe ich unterschätzt.

Während der drei Wochen im Campervan fand ich einerseits toll, immer wieder den Standort zu wechseln. Ich bin nur an einem Ort für 3 Nächte geblieben, in Pahia in der Bay of Islands. Da war das Wetter auch gerade nicht so toll, und ich stand mit dem Camper vor einem sehr netten Hostel, der Mousetrap, wo ich die echt gemütlichen Loungeräume, die Duschen und die Küche nutzen konnte. Das war fein. Sonst war ich immer höchstens zwei Nächte an einem Ort. Das bedeutete, dass meine Kontakte notgedrungen immer nur sehr kurz und wenig intensiv waren. Diese Ungebundenheit wirft einen sehr auf sich selbst zurück, jedenfalls habe ich das so erlebt. Zum Glück kann ich ganz gut mit mir allein sein.

Was ich jetzt noch vorhabe:

Hier in Wellington bin ich gerade dabei, mit ein paar Leuten etwas intensiver in Kontakt zu gehen. Das war auch der Plan. Ich nutze dazu die Meetups, kennst du die? Ich habe einfach geschaut, was es da so gibt, und mich für mehrere Gruppen registriert. Gleich am zweiten Abend hier ging ich zu einem informellen Treffen in einer Bar und hatte einen sehr netten und anregenden Abend.

Heute habe ich mich zum Kaffee mit einer Coachkollegin getroffen, die vor 6 Jahren aus Deutschland hierher ausgewandert ist. Für kommende Woche hat sie mich zu einem Kanban-Spiel eingeladen. Kanban ist eine agile Methode, ich bin sehr gespannt darauf und werde dazu auch noch bloggen. Eine weitere Kollegin treffe ich wahrscheinlich kommende Woche, und ich habe mich zu einer Wanderung angemeldet. Und am Wochenende gehe ich zu einem Dinner in einem kambodschanischen Restaurant, zusammen mit 9 weiteren Menschen. Darauf freue ich mich auch schon sehr.

Du siehst, ich nutze meine Zeit.

Und zwischendurch arbeite ich auch tatsächlich und habe sogar ein ziemlich cooles Gruppencoaching entwickelt, das dann im Januar starten wird. Schau gerne mal vorbei.

Und die Challenge?

Wenn du von Anfang an hier mitliest, weißt du ja, welche Herausforderung ich mir gestellt hatte: jeden Tag mindestens einen Menschen in ein Gespräch verwickeln. Das ist mir bisher tatsächlich gelungen, und es war viel einfacher als ich dachte, wegen der bereits erwähnten Smalltalk-Fähigkeiten der Kiwis. Es ist wirklich super einfach, hier auf Menschen zuzugehen. Davon möchte ich mir auch in Deutschland ein bisschen was bewahren. Mit einem Lächeln und unvoreingenommen einfach drauflos zu quatschen und mal gucken, was passiert – das hat sich wirklich gelohnt bisher.

Unterm Strich:

Es war eine super Entscheidung, hierher zu fahren. Ich mag das Land und die Menschen, es macht mir Spaß, wieder mehr Englisch zu hören und zu sprechen, ich habe mich einigen Ängsten gestellt und wie fast immer gemerkt, dass alles halb so wild war. Das Leben ist schön!

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